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Mehr als ein Stadtmuseum und beispielhaft für die ganze Region

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„Beschußanstalt“ Zella-Mehlis nimmt Interessierte an die Hand durch 6.000 Jahre Geschichte – vom Bergwerk bis zu Autos und Computern

von Thomas Dreger

Zella-Mehlis. Auch wenn sie an der Hauptstraße von Zella-Mehlis in etwa in der Mitte zwischen den Stadtteilen liegt, so versteckt sich die ehemalige „Beschußanstalt“ doch vor den Passanten in der Ruppbergstadt. Sieht man das auffällige Gebäude mit dem markanten „Schlot“ dann doch, ist man schon vorbeigefahren. Man muss den Schildern „Museum“ in die Anspelstraße folgen, um sein Auto zu parken und diesem Kleinod der Regionalgeschichte einen Besuch abzustatten.

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Fotogalerie:

Die ehemalige „Herzoglich-Sächsische Beschußanstalt“ ist ein Hingucker: Romantisches Fachwerk trifft hier auf Klinker, verspielt mit zahlreichen Finessen, wie das Wappenschild unter dem Fenstersonnenrad im markanten Teilgiebel neben dem Haupteingang. Hier wurden von 1893 an fast 50 Jahre Handfeuerwaffen auf ihre Haltbarkeit überprüft. Das markante Industrieensemble ist von der Stadt Zella-Mehlis mit Unterstützung des Geschichts- und Museumsvereins (gumv.de) bis 2002 umfassend saniert worden und beherbergt nun das Zella-Mehliser Stadtmuseum mit den inhaltlichen Schwerpunkten Stadt- und Technikgeschichte.

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Empfangsbereich mit Museumspädagogin Jessica Keil.

Nach dem Läuten am Eingang wird dem Besucher von Museumspädagogin Jessica Keil, Museumsmitarbeiter Frank Eiselt oder Museumsleiter Lothar Schreier aufgetan. Geradezu familiär und herzlich. Gern erläutern die drei den Rundgang im Haus, auch ohne Aufpreis.

Die Ausstellung überrascht. Unter einem Heimat- oder Stadtmuseum hatte man sich ein Sammelsurium von altem Hausrat und dergleichen vorgestellt, nun steht man aber in einer hochmodernen, nach museumspädagogisch-didaktischen Gesichtspunkten aufwendig gestalteten Exposition.


Von der Jungsteinzeit bis zum Heute …

Zunächst gibt es einen groben Überblick über die Geschichte der Region – von der Jungsteinzeit bis zum Heute. Dann wird es konkreter. Mit Erz und Holz hat alles begonnen. Wie das benachbarte Suhl besaßen Zella und Mehlis bedeutende Eisenerzvorkommen und viel Wald. Das gewonnene Eisen wurde die Voraussetzung für alles, was danach kam: Waffen, Werkzeuge und sogar medizinische Geräte, Fahrräder, Autos und … Rechenmaschinen und Elektro-Küchengeräte.


Nachgebildete Waffenschmiede.

Parallel zu Suhl entwickelte auch Zella-Mehlis eine bedeutende Handfeuerwaffenfertigung. Besonders die Kurzwaffen wurden international bekannt, vor allem unter der Marke „Walther“. Man denke an James Bond und seine Pistole, eine „Walther PPK“.

Im Museum erfährt man völlig überraschend, dass der Gründer der Eisenacher Fahrzeugfabrik, aus der die Bayerischen Motorenwerke (BMW), die Eisenacher Motorenwerke (EMW) bzw. des spätere Automobilwerk Eisenach (AWE, „Wartburg“) hervorgingen, der Zella-Mehliser Unternehmer, Rheinmetall-Begründer und Erfinder Heinrich Erhardt war. In Sammlungen in den USA sowie in der Automobilen Welt Eisenach befinden sich noch Ehrhardt-Automobile aus Eisenach, zwei oder drei fahrbereite „Pluto-Rennwagen“ sollen in Privathand sein. Erhardt baute aber auch in Zella-Mehlis Autos, die allesamt verschollen sind, bis auf das einzige noch erhaltene Chassis eines Zella-Mehliser Ehrhardt-Automobils, das in der „Beschußanstalt“ ausgestellt ist.


Das einzige noch erhaltene Chassis eines Ehrhardt-Automobils aus Zella-Mehlis.

Bis zur Wende wurden in Zella-Mehlis unter der Marke „Robotron“ Computer und Zeiterfassungssysteme hergestellt. Am bekanntesten dürfte der „K 8915“ gewesen sein, der Ende der 1980er Jahre neben Computern aus Sömmerda oder Chemnitz in vielen DDR-Büros stand. Dem zuvor gegangen war – beginnend mit Schreibmaschinen der Marke „Mecedes“ – eine lange Entwicklung von mechanischer Büro- und Rechentechnik. Dem schloss sich – mit Einführung der Halbleiterelektronik – die Herstellung von „kleiner“ und „mitterer“ Datentechnik unter den Marken „Daro“ und „Cellatron“ an. In der Ausstellung des Museums kann man die alte Schreib- und Rechentechnik bewundern und sogar an einem „Org-Automaten“ Platz nehmen.


Mercedes-Schreibmaschine.

Abgerundet wird das Museum mit Sportgeschichte, Alltagsgegenständen vergangener Jahrhunderte, mit Einblicken in die häusliche Spinnerei und Weberei, Trachten und das traditionelle Hirtenwesen, das auch schon lange nicht mehr existent ist.


Museumspädagogin Jessica Keil mit einem Haken zum Zähneziehen aus dem 19. Jahrhundert.

Ein Besuch in der „Beschußanstalt“ Zella-Mehis bietet Klein und Groß mindestens zwei spannende Stunden Rundgang zwischen interessanten, aber auch skurrilen Dingen mit Kurzweil. Besonders für Schülergruppen kramt Museumspädagogin Jessica Keil dann gern mal einen Haken zum Zähneziehen heraus, mit dem Bader und Barbiere anno dunnemals unbetäubten „Patienten“ schmerzend-kariöse „Beißerchen“ aus dem Kiefer rissen.


Kinder können bei einer kleinen „Museumsrallye“ gemeinsam mit Maskottchen „Burni“
auf Entdeckungsreise durch die Ausstellung gehen und am Ende sogar einen Preis gewinnen.

Ein Besuch lohnt sich auf alle Fälle!

Museen der Stadt Zella-Mehlis
Stadtmuseum in der „Beschußanstalt“
Anspelstraße 25

98544 Zella-Mehlis
Telefon: 03682 464698, 03682 464699

Öffnungszeiten:
Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag (Mittwoch Ruhetag):
10:00 Uhr bis 17:00 Uhr (letzter Einlass 16:30 Uhr)
Samstag, Sonntag und Feiertage:
10:00 Uhr bis 16:00 Uhr (letzter Einlass 15:30 Uhr)
An vier Tagen bleiben die Museen geschlossen:
Neujahr, Christi Himmelfahrt, Heilig Abend und Silvester.

http://www.museum.zella-mehlis.de

Text/Fotos: Thomas Dreger

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