Rennsteig-Blick

27 SOMMER 2024 So beschrieb der Suhler Vizebergmeister Gläser 1775 die legendären rundlichen Gebilde, die schon in historischer Zeit begehrt und im Weichbild des Schneekopfes gesammelt wurden. Auf dem Gipfel gibt und gab es sie nie. Auch wenn solche Lithophysen, wie diese „Kristallkugeln“ von der Fachwelt genannt werden, weitaus reichlicher und wertvoller anderswo im Thüringer Wald und in anderen Gebirgen der Welt gefunden werden können, so führte doch die Prominenz des Schneekopfes zur Benennung der Schneekopfkugeln. Die wichtigsten Fundpunkte am Schneekopf waren und sind die Güldene Brücke (erschöpft) und der Felsenschlag nördlich des Gipfels. Der Felsenschlagturm, ein markanter Rhyolith-Felsen nördlich des Schneekopf-Gipfels. Hier am Felsenschlag sind nicht nur Kletterer zu Gange, sondern auch „Schatzgräber“ nach den begehrten Schneekopfkugeln. Wie die Schneekopfkugeln entstanden sind, ist nicht mit ein paar Worten zu erklären. Soviel sei hier gesagt: Die Rhyolithkugeln bildeten sich nahe der Abkühlungsrinde von Lavakörpern. Nach Ausgasung rissen die Kugeln im Innern sternförmig auf. In den so gebildeten Hohlräumen kristallisierten erst in nachvulkanischer Zeit Quarze (Achat, Bergkristall, Amethyst, Rauchquarz), Hämatit, Fluorit und andere Minerale aus. ZUR AUSSICHT „Schon denjenigen, welche auch vor sich nieder zu sehen nicht gewohnt sind, verschaft dieser Schneekopf eine angenehme Augenweide, denn da er gegen N. und N. O. keine sonderlichen Gebürge mehr vor sich hat, so hat man auf ihm die schönste Aussicht in die Gegend vor Erfurt; Mit gewaffneten Auge kann man fast bis Leipzig, gegen 20 Meilen sehen“, lobte Gläser (s.o.) die Aussicht vom Schneekopf, wie sie sich schon 1775 darbot. Vom Gipfelplateau und natürlich vom Aussichtsturm besteht eine Rundumsicht auf weitere Gipfel des Thüringer Waldes und der Rhön, über das Thüringer Becken hinweg bis zum Ettersberg bei Weimar und auf den Wintersportort Oberhof. Bei sehr guten Sichtverhältnissen reicht der Blick bis zum Brocken im Harz, zum Schneeberg (Fichtelgebirge) sowie zum westlichen Erzgebirge. ZUM MOOR Unheimlich und sagenumwoben sind die beiden Hochmoore auf dem Schneekopf. Als „Schneekopfmoore am Teufelskreis“ stehen sie unter strengem Natur- und Geotopschutz, sind Bestandteil der Kernzone des Biosphärenreservates Thüringer Wald und dürfen nicht betreten werden. Die Regenmoore auf dem Thüringer Wald bildeten sich vor etwa 11.000 Jahren (Beginn des Holozän) nach dem Rückzug des Eiszeit-Eises von den Berggipfeln. Sie sind wurzelechte Hochmoore, auch Versumpfungsmoore genannt, und entstanden direkt auf dem mineralischen Untergrund als primäre Moorbildung durch Versumpfung vormals trockener Mineralböden. Dies war ein sehr langsamer Prozess, der sogar bei günstigem, ungestörtem Ablauf Jahrhunderte bis Jahrtausende dauerte. Für das Wachstum eines Regenmoores und die dazu nötige Torfbildung sind vor allem Torfmoose (Sphagnum spec.) verantwortlich, deren absterbende „Wurzeln“ durch Sauerstoff- und Nährstoffmangel im Moormillieu nicht verrotten, sondern im Laufe der Zeit vertorfen. ZU DEN SAGEN UND LEGENDEN „Der Schneekopf ist der Brocken des Thüringerwaldgebirges im Bezug auf Mähr und Sage; seine Schluchten und Thäler wetteifern darin mit dem Gipfel, um den der romantische Reiz des Unheimlichen wie geheimnisvoll umhülltes Gewölk lagert. Zwar tanzten auf ihm nicht die Hexen der Walpurgisnacht, und Herr Urian hat auf ihm keine Kanzel (stimmt nicht, d.A.) , dafür wächst das berüchtigte Hexenkraut in Fülle droben, das nach des Volkes Glauben den Wanderer irre führt, und es hat sich ein des Berges Unkundiger wohl vorzusehen, daß er nicht in die verrufenen Teufelskreise und in das Teufelsbad gelockt werde, denn der genannte Herr hat sein Wesen hier so gut, wie dort, und hält die gern fest, die sich in seine Domainen verirren.“ Mit diesen Worten leitete der Meininger Dichter Bechstein in seinem Sagenbuch von 1837 zum Schneekopf über. Der Volksglaube hat über diesen Berg manche Legende gesponnen, vornehmlich Schatzsagen, aber auch solche von im Moor versunkenen Menschen samt Pferden. Und die Geschichte vom Jägerstein, die sich im Kern so zugetragen haben soll. Hier kurz erzählt: Der treffsichere Forstgehilfe Caspar Greiner schoss im Jahr 1690 bei der Hirschjagd mehrfach daneben, bis er eine Zauberkugel verwendete und damit statt des Hirschs, den er seit Tagen mehrfach gesichtet hatte, seinen Onkel, den Forstmeister Valentin Grahner, zur Strecke brachte. Noch heute erinnert der Gedenkstein auf dem Schneekopf an das Unglück. Diese Geschichte wird auch als Vorlage für von Webers Oper „Der Freischütz“ angesehen. Allerlei Sagen und Legenden erzählen von unterirdischen Schätzen im Schneekopf (Gold, Silber, Erze, Edelsteine usw.) und von zwielichtigen Gestalten, die diese geborgen und „weggetragen“ haben sollen: die „Venetianer“. So berichtet Gläser (s.o.) 1775 von einer Sage „nach der von Zeit zu Zeit, Venetianer als Hechel oder Mäusefallenmacher hieher kommen, und dergleichen Gold in großer Menge wegtragen.“ Sehr wahrscheinlich suchten die „Venetianer“ etwas ganz anderes, und das fanden sie auch nicht am Schneekopf, sondern auf der anderen Seite des Ortes Gehlberg. Von Gehlberg bis hinunter nach Geraberg wurde Jahrhunderte lang Braunstein bergmännisch gewonnen. Das ist ein Manganoxid, das der Glasschmelze zugegeben wird und das Glas entfärbt und klar macht. Dieses Mineral war auch bei italienischen Glasmachern sehr begehrt. Da allerdings die Gothaische Herrschaft hier das alleinige Monopol auf den Braunsteinvertrieb hatte, schickten die Italiener die „Venetianer“ hierher, um das begehrte Mineral illegal zu beschaffen. Mit den „Venetianern“ hat auch noch eine Geschichte über ein hübsches Mädchen zu tun, die wir alle kennen, die sich aber am Fuß des Schneekopfes in Gehlberg zugetragen haben soll: „Von wegen Schneewittchen war eine Prinzessin mit böser Stiefmutter. Schneewittchen lebte in Gehlberg am Schneekopf: Dort suchten italienische Bergleute nach den berühmten Schneekopfkugeln, ... Die Bergleute waren klein und trugen zum Schutz mit Stroh ausgepolsterte Zipfelmützen. Versorgt wurden sie von einer wunderschönen Waise aus Gehlberg.“ (transkribiert aus MDR: Unterwegs in Thüringen, Sendung vom 11.1.2020) ZU DEN BAUWERKEN Seit 1852 bekrönte ein 22 Meter hoher Aussichtsturm den Schneekopfgipfel. 1958 kam ein zweiter Turm, der Fernmeldeturm, hinzu. Der alte Aussichtsturm wurde 1970 durch die Sowjetarmee gesprengt. Der Bau des neuen achteckigen Aussichtsturmes mit Kletterwänden an der Außenwand begann im September 2007 (Fertigstellung im Juni 2008). Seine Spitze liegt auf 1.004,15 Metern. Die Aussichtsplattform erreicht man über 126 Stufen. Man befindet sich dann auf 1.001,1 Metern, dem höchsten Punkt Thüringens. TOURIST INFORMATION SUHL Friedrich-König-Straße 7 98527 Suhl www.suhl-tourismus.de SCHNEEKOPFTURM Öffnungszeiten: täglich: 01.05. – 31.10.: 10.00 – 18.00 Uhr 01.11. – 30.04.: 10.00 – 16.00 Uhr Für die Besteigung des Turmes wird ein Entgelt von € 3,– erhoben! Im Aussichtsturm befindet sich kein Aufzug! TOURIST INFORMATION SUHL-GEHLBERG Gehlberger Hauptstraße 41 98528 Suhl / OT Gehlberg Tel. 036845 50500 www.gehlberg.net Idee, Konzeption, Recherche, Texte, Fotos, Kartografie und Aufmachung: Thomas Dreger, Suhl; rrvpix.de Abgebildete Schneekopfkugeln: Sammlung des Naturhistorischen Museums Schloss Bertholdsburg Schleusingen Im Moor auf dem Teufelskreis. Gipfelkreuz, Fernmeldeturm und Aussichtsturm auf dem Schneekopf. Die Inschrift des Jägersteins erzählt vom Jagdunfall 1690. DEIN URLAUBS- PARADIES direkt vor der Haustür! Rosenauer Straße 32 · 96450 Coburg Tel.: 09561 749-1640 www.aquaria-coburg.de facebook.com/aquaria.coburg

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